Rudolf_Selbstpreisgabe


Befreiung zum Leben
Rudolf Lütticken

Eine spirituelle Vision - Essays

Rudolf Luetticken - Selbstpreisgabe

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Rudolf Lütticken Ligia Lütticken

Wer Gott liebt, hat keine Religion außer Gott - Rumi

An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen - Mt 7,16

Was sagt ihr zu mir: Herr! Herr!, und tut nicht, was ich euch sage? - Lk 6,46

Das Durchleiden des Schmerzes ist die größte existentielle Herausforderung und auch der größte existentielle Gewinn ...Es geht darum, der Wahrheit, die bisher aus Angst vor Schmerz vermieden wurde, ins Auge zu schauen.
- Guido Kreppold

Solange ich angesichts des Unabänderlichen keine andere Alternative sehe als „"Biegen oder Brechen"“, unterliege ich dem Zwang. Wenn ich mich in Einsicht dem Unabänderlichen beuge, bin ich selbstbestimmt und frei.

Religiöse Überlieferung gründet auf Behauptung, authentische Spiritualität auf der Gabe der Unterscheidung.

An Jesus glauben heißt: alles Leben im Licht seiner Botschaft sehen.

Die Botschaft Jesu liegt nicht in der Bedeutung seiner Worte, sondern in ihrer Kraft.

Wer an Jesus glaubt, hält sich an ihm nicht fest: er weiß sich gehalten.

Die christliche Form der Erleuchtung ist die Gewissheit der Auferstehung






Konfessionsfreier Seelsorger, ehemaliger Benediktinermönch (1959-2015) und Priester

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Selbstpreisgabe
und andere Gedanken

Was nun als weiterführende Frage für mich im Raum steht, ist die, um welchen zentralen Punkt es sich im Spannungsfeld zwischen Selbstpreisgabe und Selbstbehauptung eigentlich dreht.

Hier möchte ich auf die Frage eingehen, die ich im Artikel „Versöhntes Leiden“ zurückgestellt habe: auf den unterschiedlichen Sprachgebrauch, wo es um die Rede von versöhntem bzw. versöhnenden, erlöstem bzw. erlösenden „Leiden“ geht:

Da, wo im christlichen Raum von versöhntem oder gar vom versöhnenden Leiden Jesu gesprochen wird, würde Ligia - aufgrund ihres im Raum der „Esoterik“ entwickelten Sprachverständnisses dazu neigen, nach dem Vorbild von Leonard Shaw - „Leiden ist optional“ - und Chuck Spezzano - „Wenn es weh tut, ist es keine Liebe“ - garnicht mehr von „Leiden“, ja, ggf. nicht einmal mehr von „Schmerz“ zu sprechen.

Das hieße: wo die Liebe als die eigentliche Wahrheit des Lebens im Hier und Jetzt erkannt und wahrgenommen wird, da bleibt für eine Rede vom „Leiden“ kaum noch oder gar kein Raum, ja, vielleicht nicht einmal mehr für eine Rede von „Schmerz“. Demgegenüber nehme ich wahr, dass ich - aus dem biblisch-christlichen Raum kommend - bei jener Rede vom erlösenden „Leiden“ Jesu durchaus den dunklen Schatten letzter und tiefster Gottverlassenheit mit assoziiere. Der immer wieder aufgerufener Bezugspunkt dieser Sicht ist der klagend-anklagende Ruf des Gekreuzigten - „Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

In diesem Ruf zitiert der Gekreuzigte den eröffnenden Vers des 22. Psalms. Er reiht sich damit ein in die gesamte, die hebräische Bibel durchziehende Überlieferung des leidenden Gerechten von Abel bis Hiob in seinem Ringen um Gerechtigkeit und einen gerechten Gott. Vielfältige Facetten biblischer Überlieferung zeichnen sich für mich in das Dunkel dieses Klagerufe ein - durch Formulierungen und fest geprägte Formeln, die in ihrem Kontext geradezu das Gewicht und den Stellenwert systemtragender Brennpunkte erhalten haben.

Die Unterschiedlichkeit der beiden Betrachtungsweisen - der esoterischen wie der innerchristlichen - ist zu gravierend, um sie einfach auf sich beruhen zu lassen. Zumal mir scheint, dass sie für beide Seiten zum Anlass dafür wird, die jeweils andere abzuwerten und auszugrenzen, anstatt sie zunächst einmal gerade in ihrer Andersartigkeit als möglichen Gegenpol ernst zu nehmen und in ein authentisches Gespräch mit ihr einzutreten.

Christliche Kritik der Esoterik:

Für eine christliche, von Kreuzestheologie und Kreuzesspiritualität geprägte Sehweise erzeugt die Esoterik ein geschöntes Bild der Wirklichkeit; sie macht durch ihren unvermittelten Zugriff auf die heilende Kraft der Liebe diese auf billige Weise - durch suggestive, die Realität verdrängende Rede - dem Menschen verfügbar; sie greift darin ausdrücklich oder verdeckt zurück auf archaische Formen magischer Machtausübung.

Sie vermeidet mit diesem Machtgestus gerade die Selbstpreisgabe, die im Menschen den Raum eröffnet, in dem die heilende Kraft der Liebe - in der realen Geschichte des Einzelnen wie in den vielfältigen korporativen Lebenszusammenhängen, in denen sie sich vollzieht - wirklich zum Tragen kommen kann.

So erübrigt sie durch eine Art (klug vermarkteten) Taschenspielertrick das, was nach christlicher Sicht Gott selber in seiner Liebe aufgeboten hat, um den Preis für unsere Erlösung zu zahlen: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn dahinab, damit jeder, der lebt und an mich glaubt, nicht verloren gehe, sondern das ewige Leben habe.“ (Joh 3) - „Christus, der reich war, wurde um euretwillen arm.“ (2Kor 8f)

Esoterisch/humanistische Kritik der christlichen Leidensbotschaft

Aus dem Blickwinkel esoterischer - oder auch einfach einer an den humanen Werten orientierten Sehweise ergeben sich kaum weniger tiefreichende Rückfragen an die Sicht des Leidens, wie sie sich in vielen Facetten in der christlichen Überlieferung etabliert hat.

Oft genug wurde christliche Leidensbereitschaft zu einer schwärmerischen, unterwürfigen, selbstzerstörerischen Ideologie des Leidens stilisiert und instrumentalisiert. Air wurde daher mit Recht - aus tiefreichender humaner Motivation heraus - von innerhalb wie außerhalb der christlichen Überlieferung hinterfragt.

Ausgehend von dieser verfälschten christlichen Leidensbereitschaft übergehen ihre Kritiker dann freilich ihrerseits meist die Frage nach dem legitimen und für christliches Glaubens- und Lebensverständnis eben doch grundlegende Kern der christlichen Auffassung vom versöhnenden Leiden. Damit werden die Grenzen zwischen der christlichen Botschaft und ihrer Stilisierung und Instrumentalisierung verwischt.

Diese Unklarheit lastet als tiefer Schatten nicht nur über dem Erscheinungsbild christlicher Überlieferung in der heutigen, an den humanen Grundwerten orientierten Lebenswelt. Die Unfähigkeit, sich in diesem zentralen Anliegen ihrem Umfeld verstehbar und transparent zu machen, trägt eine tief reichende Spaltung in die heutige christliche Überlieferung selbst hinein:

Düstere, lebensverneinende Auffassungen und lebensbejahende, lebensfrohe, aber leidverneinende Einstellungen stehen sich unvermittelt gegenüber, die einen einseitig an der Botschaft des Kreuzes, die anderen an der Botschaft der Auferstehung oder der Menschwerdung orientiert.



....die Gott auf die Anklagebank verweist, weil er sich dem Anspruch des Menschen auf Gott-Gleichheit nicht beugt.



Denn indem wir uns unserer Ohnmacht verweigern, liefern wir uns ihr in Wirklichkeit aus, anstatt sie in einen - ja in den denkbar souveränsten Vollzug unserer innersten Freiheit zu verwandeln



Die Frage ist freilich, aus welchen Quellen die christliche Option der Versöhntheit sich tatsächlich speist. Diese Frage ist für die Bewertung des christlichen Leidensverständnisses entscheidend.

Anmerkung: Siehe letzter Satz in Heilung, Heiligung, heil. Sein nächstes Projekt war, die Bedeutung und der Stellenwert des Leidens in der Bibel und in der christlichen Überlieferung - sowie die sich daraus ergebenden Konsequenzen - zu hinterfragen.


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